1. Kongress des Forschungsprojekts Resilienter Tourismus
- 20.12.2024
- Forschung

Die Gäste beim Podiumsgespräch: Benjamin Förtsch, Lea Carnuth, Helena Gey, Herbert Fritzenwenger, Franz Bauer, Gerald Schölzel, Samuel Koch (v.l.n.r.)
Am 14. November 2024 fand im Rahmen des Interreg-Projekts Resilienter Tourismus der erste transnationale Kongress im bayerischen Traunstein statt. Zahlreiche Teilnehmende erfreuten sich an einem spannenden Nachmittag mit inspirierenden Vorträgen und Gesprächen zum Thema Menschen & Mitarbeitende stärken.
Resilienter Tourismus – Menschen & Mitarbeitende stärken! Unter diesem Motto fand der erste Kongress des Interreg Bayern-Österreich Projekts Resilienter Tourismus statt, an welchem die FH Kufstein Tirol federführend beteiligt ist. Auf Einladung des Projektpartners Chiemgau GmbH – Tourismus kamen am Nachmittag des 14. November 2024 zahlreiche Touristiker:innen und Tourismusbegeisterte im Kulturforum Klosterkirche in Traunstein zusammen, um erhellende Impulsvorträge – unter anderem des bekannten Schauspielers und Mutmachers Samuel Koch – zu erleben. Zudem gab es die Möglichkeit, online beim Event live mit dabei zu sein.
Aus Krisen Stärken entwickeln
Viele Menschen haben noch vor Augen, wie Samuel Koch 2010 in der TV-Show Wetten, dass…? schwer verunglückte, mit nur 23 Jahren. Seither ist der ehemalige Kunstturner vom Hals abwärts gelähmt. Doch Samuel Koch zerbrach nicht an diesem Schicksal, sondern kämpfte sich zurück ins Leben, schloss sein Schauspiel-Studium ab und steht heute nicht nur in Theater und Film, sondern auch als Redner auf der Bühne. In Traunstein nahm er das Publikum mit auf seine persönliche Reise durch die vier Phasen einer Krise und ihrer Bewältigung. Eindrücklich erzählte er vom Schock im Moment des Bewusstseinswerdens, Phasen der Entmutigung und des Zweifels am eigenen Wert. „Aber der Mensch ist ein human being“, stellte Samuel Koch klar, „kein human doing“. Was er damit meint, ist, dass wir unseren Wert nicht erst durch nützliches Handeln erfahren, sondern durch unser bloßes Dasein. Diese und viele weitere wertvolle Erkenntnisse gab Samuel Koch dem Publikum beim Kongress an die Hand, immer begleitet von einer Prise Humor.
Die Wirkung der kleinen Steine
Weitere Impulse zur individuellen Resilienz gab Benjamin Förtsch, Inhaber des Hotel Luise in Erlangen. Er sprach offen über seine persönlichen Schicksalsschläge, Ängste im Angesicht des Klimawandels sowie existenzielle Krisen im Hotelbetrieb. Herausforderungen wie diese seien wie Steine im Wasser: Sie könnten den Lauf der Dinge dramatisch verändern. Benjamin Förtsch schlussfolgerte daraus: „Setzt die richtigen Steine, um mit der Flut umzugehen.“ Exemplarisch erzählte er von den Steinen, mit denen er den Flusslauf seines Hotel Luise bestimmt, von Begrünungsmaßnahmen über KI-gestützte Systeme bis zum Modellprojekt Nachwachsende Hotelzimmer. Wichtig seien ihm außerdem eine klare Vision, durch Geschichten zu begeistern, Nachhaltigkeit als Grundlage aller Entscheidungen zu betrachten sowie die fünf Inner Development Goals im Team zu verwirklichen.
Mitarbeitende im Wandel begleiten
Der Hotelier Gerald Schölzel berichtete von intensiven Zeiten der Veränderung, als unter seiner Leitung das Kloster Seeon im Chiemgau eine ökonomisch notwendige, konzeptionelle Neuausrichtung erfuhr. Seit 2017 steht das vormals reine Tagungshotel auch privaten Übernachtungsgästen offen. Der Wandel erforderte viele strategische Anpassungen an die neue Zielgruppe und stellte das Team vor enorme Herausforderungen und Learnings, angefangen bei Details wie der Menge der Speisen am Frühstücksbuffet. Doch gezielte Coachings für die Mitarbeitenden sorgten dafür, dass bald wieder ein reibungsloser Ablauf eingespielt war und das Haus heute ein beliebtes Tourismusziel ist.
Frühwarnsystem für Tourismusregionen
Nach einer Kaffeepause mit intensiven Gesprächen stellte Lea Carnuth von der FH Kufstein Tirol den im Projekt Resilienter Tourismus entwickelten Resilienz-Index vor. Sie machte einleitend darauf aufmerksam, wie unterschiedlich sich die Tourismusverbände von dem Schock der Corona-Krise erholt haben und skizzierte die Vielfalt an möglichen Krisen, welche die Tourismusbranche in Zukunft treffen können. Aus diesem Grund wurden in den vergangenen Monaten in Zusammenarbeit mit der FH Salzburg geeignete Indikatoren auf Basis von Fachliteratur und im Austausch mit Touristiker:innen erarbeitet, um die Resilienzstärke der einzelnen Tourismusverbände zu messen. Lea Carnuth präsentierte erste Auswertungen zur saisonalen Konzentration der Nächtigungen sowie die Ergebnisse der ökonomischen Dimension des Resilienz-Indexes. Der vollständige Index wird ab Anfang 2025 als interaktives Dashboard online frei zur Verfügung stehen und zusätzlich Aktionspläne zur Stärkung der Resilienz in den Tourismusregionen beinhalten.
Die Gäste im Gespräch
Das anschließende Podiumsgespräch wurde moderiert von Herbert Fritzenwenger, ehemals ZDF-Experte und Co-Kommentator bei Biathlonwettbewerben. Im Gespräch mit den Gästen stellte sich schnell heraus, dass ein voller Geldsack allein nicht ausreicht, um für die Zukunft krisenfest aufgestellt zu sein. Unverzichtbar für Tourismusunternehmen sind staatliche Unterstützung sowie ein verlässliches, belastbares Team. Für das Individuum stellte Samuel Koch gar die bewusst provokante These in den Raum, dass finanzielle Sorglosigkeit bei der Bewältigung von Krisen eher lähmend sei.
Bei der Diskussion um die Zukunft des Skitourismus waren sich die Gäste weitgehend einig, dass kein Weg am Ausbau von Ganzjahresangeboten vorbeiführt. Große Chancen sahen die Diskutant:innen in dieser Hinsicht im Bereich Mountainbike und E-Bike. Weniger Einigkeit herrschte bei der Frage, wie Tourismusangebote und Veranstaltungen möglichst nachhaltig ausgerichtet werden können. Kern der Kontroverse war die Verantwortungszuweisung an die Tourist:innen einerseits (Stichwort Individualanreise), und an die Betreiber:innen bzw. Veranstalter:innen andererseits. Unbestritten aber blieb die Notwendigkeit effektiven Klimaschutzes, um eine der bedrohlichsten Krisen unserer Zeit, den Klimawandel, abzuschwächen.
Ausblick auf kommende Veranstaltungen
Der Kongress in Traunstein war der erste von insgesamt drei Kongressen, die im Laufe der Projektlaufzeit veranstaltet werden. Im kommenden Jahr wird in Salzburg der nächste Kongress zum Thema Resilienter Tourismus – Betriebe & Organisationen stärken! stattfinden. 2026 wird die FH Kufstein Tirol Gastgeber des Abschluss-Kongresses Resilienter Tourismus – Regionen & Destinationen stärken! sein.
Ziel der Veranstaltungsreihe ist es, Touristiker:innen in den Regionen Oberbayern, Salzburg und Tirol für die Bedeutung des Themas Resilienz zu sensibilisieren und sie zum gegenseitigen Erfahrungs- und Wissensaustausch miteinander ins Gespräch zu bringen. Dank der Förderung durch Interreg Bayern-Österreich sind die Kongresse für alle Interessierten stets kostenfrei.